Sie setzen einen Anker hinter ihre Signatur, tragen eine Offiziersuniform der Marine, und ihr künstlerisches Gesamtwerk wird durch den französischen Staat per Dekret zum nationalen Kulturerbe erklärt. Sie gehören einer der ältesten Künstlervereinigungen Frankreichs an, werden durch eine Jury ausgewählt und dürfen einen geschützten Titel tragen: Peintre officiel de la Marine.
Was haben der 1851 verstorbene Louis-Philippe Crepin und die zeitgenössische Malerin Marie Detree-Hourriere gemeinsam? Beide tragen den Titel Peintre Officiel de la Marine. Crepin war der erste Marinemaler der Grande Nation, seine Werke kann man im Musee national de la Marine in Paris bewundern. Seine Ölgemalde zeigen pompöse Seeschlachten bei Trafalgar, Napoleon I. und Kaiserin Marie-Louise anlässlich der Flottenparade in Cherbourg oder Seegefechte zwischen französischen und englischen Dreimastern. Als Maler machte Crepin so etwas wie Werbung für die königliche Marine und verherrlichte deren Taten quasi in Funktion einer PR-Agentur. Bereits vor 1830 hatte Kardinal Richelieu Künstler beauftragt, die stolzen Dreimaster der königlichen Marine aufwendig zu verzieren. Jean-Baptiste de la Rose (1612–1687) verwandelte die Kriegsschiffe in schwimmende Prunkstucke. Weniger heroisch und kämpferisch geht es in den Werken von Marie Detree-Hourriere zu und her. Sie malt in wechselnden Techniken Alltagsszenen und Menschen in Hafenstädten. Oder sie halt in comicartigen Skizzen das tägliche Leben an Bord eines Kriegsschiffes fest. Von ihren Reisen bringt sie die unterschiedlichsten Impressionen mit, die aber meist irgendwie mit Weite, Sehnsucht und dem Meer zu tun haben. Als weiblicher Peintre de la Marine gehört sie noch zu einer Minderheit. Lange Zeit war der Titel des Marinemalers den Männern vorbehalten. Erst 1995 kurte die Jury zum ersten Mal eine Frau, Christiane Rosset, zum Peintre Officiel de la Marine, kurz POM genannt.
Wie wird man ein POM?
Seit der Julirevolution von 1830 existiert dieser Künstlervereinigung, die damit die älteste ihrer Art der Grande Nation ist. Alle zwei bis drei Jahre wählt eine Jury neue Aspiranten zum offiziellen Marinemaler aus. Bewertungskriterium ist dabei keineswegs die Verherrlichung der Marine, vielmehr handelt es sich um eine Hommage an das Meer, das in unterschiedlichsten Facetten interpretiert werden kann. Jedermann mit französischem Pass kann Bildwerke einreichen, von Illustrationen, Grafiken über Gemälde bis hin zu Skulpturen oder Fotografien – Video- und Performancekünstler müssen vorerst (noch) außen vor bleiben. Gemas ihren ungeschriebenen Regeln steht die Jury nicht auf abstrakte Visualisierungen – man mochte doch schon sehen, um was es sich da handelt. Ansonsten reicht der Bezug zum Wasser. 100 bis 120 Künstler stellen am Salon de la Marine aus und stellen sich den kritischen Augen der Jury, die je zu einem Drittel aus POMs, hohen Offizieren der Marine und Personen des öffentlichen Kulturlebens Frankreichs besteht. Rund 40 POMs dürfen sich mit dem offiziellen Titel schmucken, erst wenn jemand stirbt, kann ein neuer Peintre nachrucken. Als Agrées (Zugelassene) treten sie im Range eines Kapitänleutnants ein. Wer auf zwölf Jahre Zulassung zurückblicken kann, wird zum lebenslangen Titulaire im Range eines Korvettenkapitäns. Das Gremium kann auch den POM-Titel wieder aberkennen, sollte man straffällig werden, sich in der Folge weniger mit dem Meer beschäftigen oder etwa allzu eifrig in Friedensbewegungen aktiv sein. Die POMs dürfen maßgeschneiderte Marineuniformen tragen, jedoch ohne Rangabzeichen. Einzig die Schulterklappe gibt Aufschluss über den Träger, und auf der Brust prangt ein silberner Anker, der sich auch in der Signatur des Künstlers wiederfindet. POMs werden nicht mit ihrer militärischen Funktion angesprochen, sondern passender mit ≫Maitre≪. Honorar gibt es keines, immerhin dürfen sie sich im Krankheitsfall wie alle Marineoffiziere kostenlos im Pariser Militärhospital Val-de-Grace behandeln lassen.
Die POMs auf hoher See
Damit die Peintres auch den richtigen Eindruck vom Dienst in der Marine haben, verschickt die Marineleitung zweimal jährlich einen Katalog mit gut 60 Schiffsbewegungen an die offiziellen Maler. Sie können sich dann eine Seereise weltweit aussuchen, um hautnah das Bordleben zu verfolgen und in Bildern künstlerisch umzusetzen. Andere suchten freiwillig das Abenteuer und dokumentierten es: Marin-Marie (mit bürgerlichem Namen Marin Marie Paul Emmanuel Durand Couppel de Saint-Front) war ab 1935 Marinemaler und begleitete in dieser Funktion Kapitän Charcot auf dessen Arktisexpedition. Der diplomierte Advokat hatte seine künstlerische Ausbildung zwar nur in Abendkursen absolviert, trotzdem beherrschte er als virtuoser Zeichner die unterschiedlichsten Techniken wie Aquarell, Gouache oder Öl. Er war nach dem Segler Alain Gerbault der zweite Franzose, der 1933 den Atlantik einhand auf seinem Kutter Winibelle überquerte. Ein Jahr nach seiner Ernennung zum POM ging es wieder solo über den großen Teich – diesmal an Bord seines Motorbootes Arielle von New York nach Le Havre, was ihm eine Auszeichnung in Form der Blue Water Medal des Cruising Club of America einbrachte. Als er den im Bau befindlichen Transatlantikliner Normandie malen sollte, schlug er vor, die Kamine im Querschnitt ellipsenförmig statt rund zu gestalten und wegen der Ästhetik noch einen dritten (leeren) Kamin hinzuzufügen. Seine Anregungen wurden umgesetzt, und im Deko-Schornstein wurde der Hundezwinger für die mitreisenden Vierbeiner untergebracht.
Albert Brenet setzte das künstlerische Erbe von Marin-Marie bravourös fort. Brenet begann eigentlich als Tiermaler, aber seine meisterhafte Technik lies ihn schon bald zu einem der gefragtesten Illustratoren und Werbezeichner Frankreichs werden. Kein anderer verstand es so wirkungsvoll wie er, den Aufbruch in die Moderne plakativ zu illustrieren und die unterschiedlichsten Transportmittel der Eisenbahn, der Schiff- und Luftfahrt in Szene zu setzen. So wurde er nicht nur als Peintre de la Marine nominiert, sondern auch als erster Maler überhaupt zum Peintre de l’Air et de l’Armee (Luftwaffe und Armee). Er erlebte zwei Epochen, er schaffte es 1929, auf der Bonchamp, einem der letzten Dreimaster, in die Antillen zu segeln, auf Transatlantiklinern wie der Normandie 1935 den Atlantik zu überqueren und an Bord der Flugzeugträger Foch und Clemenceau seinen künstlerischen Dienst zu versehen. In spezieller Mission dampfte er 1946 auf dem Marinekreuzer Moncalm wiederum auf die Antillen, um von dort das vor dem Krieg versteckte Gold der französischen Nationalbank heimzuholen. 1971 befand er sich an Bord der Fregatte Suffren, wo ihm Staatspräsident Georges Pompidou beim Malen über die Schulter schaute. Moderne Kunstströmungen ließen ihn kalt, er sah sich eher als reisenden Reporter, der besser und fesselnder als die aufkommende Farbfotografie die Faszination von fernen Ländern und den Siegeszug der modernen Technik in bunten Farben darstellen konnte. Er arbeitete schnell und pragmatisch, seine Gouache- Technik hatte er im Laufe der Jahre perfektioniert und rationalisiert. Meist legte er das Bild ohne Vorskizze direkt in Farbe an. Sein phänomenales Gedächtnis der Szenerie half ihm, wenn er im Atelier selbst aus einem winzigen Detail noch wirkungsvolle Szenerien komponieren konnte. Seine Farbpalette umfasste lediglich elf Grundfarben, die er meisterhaft mischte. Je nach Reisedestination kamen wenige zusätzliche Farben hinzu, um den Lokalkolorit besser herausarbeiten zu können. Bis ins hohe Alter blieb seine Schaffenskraft ungebremst, erst mit 102 Jahren legte er den Pinsel für immer zur Seite. 2003 wurde mit Titouan Lamazou ein erfolgreicher Regattasegler zum offiziellen Marinemaler. Lamazou war Teil der Crew um Eric Tabarly und startete dann seine eigene Profikarriere als Skipper. Er gewann 1990 die erste Vendee Globe und lancierte ein Jahr später zusammen mit Florence Arthaud die Jules Verne Trophy. Auf seinem sportlichen Hohepunkt war er Skipper der TAG Heuer, dem damals größten Regatta-Einrumpfboot in Kompositbauweise, mit dem er die Jules Verne Trophy gewinnen wollte. Doch der 43 Meter lange Schoner erlitt beim Überfuhrungstörn von Italien einen strukturellen Schaden am Rumpf und konnte nur durch eine dramatische Abschleppaktion vor der albanischen Küste gerettet werden. Lamazou hängte nach diesem Schock seine Profikarriere als Segler an den Nagel und wurde zum bekannten Künstler. Im Auftrag von Air France reiste er an verschiedene Destinationen und brachte stimmungsvolle Bilder in seinen Carnets de Voyage mit, die hauptsachlich im Bordmagazin der Airline publiziert wurden. Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen folgten. Auf seinem schwimmenden ≫Bateau-Atelier≪ fordert er heute den künstlerischen Nachwuchs – seine Liebe zu Yachten ist geblieben.
Fotografen als Maler
Peintre de la Marine kann man selbst ohne Pinsel oder Zeichenstift werden. So können auch Fotografen mit ihren Werken in den illustren Kreis der Kunstler aufgenommen werden. Philip Plisson wurde 1991 zum Peintre Officiel de la Marine ernannt. Seit seiner Kindheit war er vom Meer fasziniert und begann als Jugendlicher mit dem Fotografieren von Yachten. Im Alter von 27 Jahren machte er aus seiner Passion einen Beruf und entwickelte sich zu einem Spezialisten für Meeresfotografie. Mit seinem Sohn Guillaume Plisson, der ebenfalls als Fotograf tätig ist, gründete er den Verlag Pêcheurs d’ images, in dem er zahlreiche Bildbände veröffentlichte. Zu einem Schicksalsschlag entwickelte sich im September 2010 der Brand in seiner Fotogalerie, dem rund eine Million Fotos zum Opfer fielen – darunter 450.000 unersetzliche Originalbilder. Yann Arthus-Bertrand bekam den Titel 2005 verliehen. Der studierte Biologe, Tenniscrack und Rennfahrer (Paris–Dakar) machte sich mit Luftaufnahmen einen Namen, worin er als Filmer und Umweltschützer die Schönheit (und Zerbrechlichkeit) der Meeresküsten dokumentierte. Sein Kinofilm ≫Home≪ (im Sinne von ≫unsere Heimat, die Erde≪), der weltweit erstmals komplett aus der Luft gedrehte Dokumentarfilm in Spielfilmlange, zeigt den Wandel, die Deformierung und die Zerstörung des Planeten durch den Menschen. Wie Al Gore – mit seinem Film ≫Eine unbequeme Wahrheit≪ – ist auch Arthus-Bertrand überzeugt, der Film sei das geeignete Medium, um die Menschen aufzurütteln und ihnen den Raubbau und die Umweltzerstörung bewusst zu machen. Um dieses Ziel möglichst weitgehend erreichen zu können, bestand Arthus-Bertrand von Anfang an darauf, dass der Film nach Fertigstellung ohne Filmrechte und für jedermann frei verfügbar sein müsse – insbesondere auch im Internet.
www.mariedetree.com
www.titouanlamazou.com
www.plisson.com
www.yannarthusbertrand.org
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Text: Stefan Detjen. Dieser Artikel erschien in der GOOSE No. 31