Eine der Attraktionen des neuen Robbe & Berking Yachting Heritage Centre in Flensburg ist die dort befindliche größte Yachtsportbibliothek der Welt. sie basiert auf einer Sammlung, die einst von Volker Christmann begonnen wurde: der Urtyp des Sammlers! nachdem er eine Reihe verschiedener Yachten hatte, seltene nautische Antiquitäten und die bereits erwähnte Büchersammlung hat er nun eine neue Passion: seltene und historische knöpfe von den verschiedensten Yachtclubs. Ein Interview von Ron Valent.
Vor der kürzlich erfolgten Eröffnung des »Robbe & Berking Yacht Heritage Centre« in Flensburg musste, wer ein bestimmtes maritimes Buch oder auch Informationen über eine Yacht oder einen Konstrukteur suchte, vermutlich nach Wiesbaden reisen, wo bis dahin die weltgrößte Sammlung maritimer Bücher zu finden war. Das Haus des 69-jährigen Sammlers Volker Christmann ächzte und stöhnte förmlich unter der enormen Last Tausender Bücher, doch seither ist die Bibliothek umgezogen und bildet nun den Kern des Yachting Heritage Centre in Flensburg. Die Sammlerleidenschaft jedoch blieb, und das Haus des Volker Christmann füllt sich allmählich wieder mit den wunderbarsten Dingen. Nun hat er ein neues Ziel für seine Kleptomanie entdeckt: historische Yacht-Club-Knöpfe!
Schon in jungen Jahren brachte ihn sein Vater, der mehrfacher Deutscher Meister in Segelkanus war, zum Segeln. In den 1950er-Jahren kaufte Christmann senior sein erstes »richtiges « Boot und danach allmählich immer größere Yachten. Eine davon war ein Klassiker aus den Dreißigerjahren mit ziemlich viel Tiefgang. Damit liefen sie einen Hafen am Rhein an und blieben dann dort für den Rest des Sommers stecken, weil das Wasser einfach nicht wieder hoch genug war, um sie hinauszulassen! Vom Rhein ging es dann aber doch bald auch hinaus auf die offene See. 1962 ließ der Vater sich einen Kielschwerter vom Typ »Delphin« in Hamburg bauen, ein Schwesterschiff des Bootes, mit dem damals in den Sechzigerjahren das Ehepaar Elga und Ernst-Jürgen Koch um die Welt segelte.
Ron Valent: Was waren Ihre Anfänge im Segeln?
Volker Christmann: Mein Vater starb früh, im Jahre 1980, als er erst 60 war. Gemeinsam mit ihm hatte ich einst ein hölzernes Boot gebaut, und das hatte Vater und Sohn eng miteinander verbunden, doch als dann Mädchen in meinem Leben auftauchten, wurde es schwieriger. Wir stritten uns über irgendeine Nichtigkeit, und ich ging fort, um in München zu leben, und kam nie zurück. Dann kaufte ich ein Boot gemeinsam mit einem Freund, der zwar viel Geld, aber keine Ahnung vom Segeln hatte. Bei mir war es andersherum, ich hatte kein Geld, aber konnte segeln. So war es vor allem für mich ein guter Deal, denn ich konnte mit dem Boot anstellen, was ich mochte. Es war eine 15 Meter lange Klipperaak aus dem Jahre 1898. Ich glaube, ich bin mindestens 15-mal damit die Rhone hinab und hinaus nach Frankreich und zurück gefahren. Später kaufte ich dann eine 11-KR-Yacht von Abeking & Rasmussen. Das war die Königin, damals ein berühmtes Schiff, Schwester der Rubin I. Beim Kauf wurde vereinbart, dass wir den Namen nicht übernehmen dürften, also tauften wir sie Regina, was ja nichts anderes ist als das lateinische Wort für Königin.
RV: Was war der Wendepunkt in Ihrem Leben?
VC: Als ich diese 11-KR-Yacht ansah, sagte ich zu meiner damaligen Freundin, welche meine heutige Frau ist, dass wir auf diesem Boot den ganzen Sommer lang leben und segeln müssten und es sonst nicht kaufen dürften. Nun hatte ich damals eine Firma mit mehreren Läden, die Sportartikel verkauften, eine andere Firma, die Ladeneinrichtungen baute, und eine Antiquitäten-Großhandlung. Insgesamt arbeiteten um die 30 Leute für mich, und um all das musste ich mich natürlich täglich kümmern, es würde nicht funktionieren, wenn ich einfach mal sechs Monate im Jahr weg wäre. Also verkaufte ich 1990 alles und investierte dafür in Immobilien. Diese Immobilien bezahlen bis heute meine Rechnungen. Es war das Cleverste, das ich je getan hatte. Wir haben nun eine Anzahl Wohnungen in Mainz und in Wiesbaden, und das klingt vielleicht beeindruckender, als es ist, denn natürlich muss man sich auch darum kümmern, aber beschweren kann ich mich nicht. Im Vergleich zu armen Menschen bin ich reich, aber im Vergleich zu den Reichen bin ich arm. Ich hatte viele verschiedene Boote. Klassiker, moderne und sogar einen Schlepper. Zwanzig Jahre lang segelten wir im Mittelmeer, erst mit der Klipperaak Bonny und dann mit der Königin. Die verkaufte ich 1991 und legte mir eine Westerly 36 zu, auf der ich im Hafen wohnte, während ich oben auf dem Berg einer griechischen Insel ein Haus renovierte. Nach zwölf Jahren verkauften wir auch die und segelten acht Jahre in der Ostsee, mit einer Helmsman 47, bis wir erkannten, dass wir allmählich etwas älter wurden. Und dass es eben nicht mehr so gut ging, wenn der Wind auf sechs oder sieben auffrischt und man sich mit dem ganzen Körper in die Winsch legen muss. Also verkauften wir die Helmsman und kauften die Nixe, eine Brandsma 47, ein klassisches Motorboot aus Stahl, welches ich noch habe. Es steht allerdings zum Verkauf, weil wir nun mehr oder weniger ganz auf die Azoren gezogen sind. Ich vermisse allerdings das Segeln und werde mir hier vielleicht wieder einen kleinen Daysailer zulegen. Alles in allem ein Leben in Booten! Wir haben bestimmt über 100,000 Seemeilen auf See zurückgelegt und waren oft monatelang am Stück unterwegs. Im Winter habe ich Bücher gesammelt, im Sommer waren wir segeln. Das war mein Leben! Zwischendrin hatte ich auch mit der Rettung des Zwölfers Anita zu tun. Sie gehörte 25 Jahre lang der Segelkameradschaft Ostsee, aber war dann in wirklich schlechtem Zustand. Unter der Wasserlinie war sie ganz verrottet. Ich wurde um Hilfe gebeten und auch zum Vorsitzenden einer eigens dafür gegründeten GmbH, über die dann die Restaurierung lief. Der Segelclub Rheingau wurde dann Eignerin der Yacht. Gemeinsam mit meinen Freunden brachte ich etwa die Hälfte der Mittel auf, die für die Restauration nötig waren, den Rest brachten viele Freiwillige des Clubs zusammen. Dann wurde sie per Lkw nach Gilleleje in Dänemark transportiert, wo Niels Anderson die Arbeiten durchführte. Jetzt segelt sie wieder mit der wachsenden Flotte der 12er in der Ostsee und nimmt auch an allen Regatten teil.
RV: Wie begannen Sie mit dem Büchersammeln?
VC: Als ich meine Firmen 1990 verkauft hatte, war ich ja noch jung und brauchte eine Beschäftigung. Ein Hobby. Von meinem Vater hatte ich etwa 100 Segelbücher geerbt und dazu einige gebundene Jahrgänge der Zeitschrift ›Yacht‹, von 1940 bis etwa 1960. Also sagte ich mir, mal sehen, ob du nicht die 100 oder so Bücher finden kannst, von denen ich glaubte, dass sie übers Segeln geschrieben worden waren, denn dann hätte ich ja die beste Sammlung von Segelbüchern. Natürlich erkannte ich sehr schnell, dass es sehr viel mehr als nur 200 Segelbücher gibt, und so wuchs und wuchs meine Sammlung. 1998 schaffte ich einen Computer an, weil es mir immer wieder passierte, dass ich Bücher kaufte, die ich schon hatte. Ich wollte einfach nur ein Register meiner Bücher erstellen, damit mir das nicht wieder passierte. Aber dann entdeckte ich durch diesen Computer das Internet und all die verschiedenen Buch- Seiten. Das war der Anfang vom Ende! Eine Zeit lang war ich praktisch 24 Stunden am Tag online und orderte Bücher aus allen Ecken der Welt.
RV: Alles hier in diesem Haus?
VC: Ich kaufte Bücher, Tag und Nacht, überall auf der Welt: Australien, Neuseeland, Amerika, überall. Dieses Haus hatte ich 1979 angeschafft. Es war wirklich groß und anfangs nicht nur für meine Frau und mich gedacht, einige Räume waren vermietet. Aber als die Büchersammlung in den 1990ern immer größer wurde, brauchte ich mehr und mehr Platz, und so musste einer nach dem anderen der Mieter ausziehen. Ich ließ spezielle Bücherregale bauen, in die mehr Bücher passten, aber es ging einfach immer weiter. Einmal im Monat fuhren wir nach Zürich, wo es mehr als 30 Antiquitätenhändler gab. Dort war auch eine Firma, die komplette Nachlässe aus alten Häusern aufkaufte, und eine Zeit lang hatten die Tausende von Büchern, die sie einfach für zwei Mark das Stück verkauften. Jeden Montag kamen Händler, um sich die Bücher anzusehen, aber niemand interessierte sich für die maritimen Bücher, aus denen konnte ich dann frei wählen. Am Ende hatte ich mehr als 10.000 Yachtbücher in meinem Haus! Es hatte sich offensichtlich von einem Hobby zu einer Art Irrsinn gewandelt. Wann immer ich ein erschwingliches Buch sah, kaufte ich es.
RV: Aber dann kam Oliver Berking vorbei und erzählte Ihnen von seiner Vision, ein europäisches Yachtzentrum zu bauen, und überzeugte Sie, dass dies ein würdiges neues Zuhause für all diese Bücher sein würde?
VC: Nun, er kaufte nicht die komplette Bibliothek, weil ich so viele Bücher doppelt hatte und die dann behielt. Aber am Ende nahm er etwa 7500 Bücher. Es waren zwei Lastwagen nötig, jeder mit 7,5 Tonnen Büchern und Zeitschriften beladen, und 218 Umzugskartons, um das alles zu bewegen. Der Gewichtsschwerpunkt von Deutschland hat sich ganz sicher nach Norden verlagert! Über die Jahre kamen immer wieder Leute, die meine Sammlung kaufen oder sie einfach geschenkt haben wollten. Anfangs wollte ich nicht verkaufen, aber dann erkannte ich, dass ich ja nicht ewig leben würde und dass ich nach einer guten Heimat für meine Sammlung Ausschau halten musste. Ich wollte die Sammlung keinem Club oder so etwas überlassen, weil ich mir sicher war, dass die den Wert nicht würdigen würden und dass die Sammlung nach ein paar Jahren auseinandergerissen und verloren gewesen wäre. Viele Bücher, die ich gekauft hatte, stammten ja von verschiedenen Clubs, wie man in den Büchern sehen konnte, die dann einfach rausgeworfen wurden, um Platz für etwas anderes zu schaffen. Jahrelang schienen die Menschen in Clubs einfach nicht an Segelbüchern oder auch der Geschichte interessiert gewesen zu sein … Aber dann sprach ich mit Oliver Berking. Er hatte ernsthafte Pläne für die Sammlung, die ihren Fortbestand garantieren würden, die Sammlung aber auch anderen interessierten Seglern zugänglich machen würden. Das sprach mich an. Er machte mir dann ein faires Angebot, welches ich guten Gefühls annehmen konnte und von dem ich hoffe und glaube, dass er ebenfalls damit glücklich war. Er bekam alles, was er wollte, und hat nun eine in der Welt einmalige Sammlung.
RV: Sie haben aber immer noch die Sammelleidenschaft?
VC: Ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn ich irgendwo ein tolles Buch im Angebot sehe. Das muss ich dann einfach haben. Manchmal bekomme ich es nicht, weil es nun mehrere Menschen gibt, die da hinterher sind, und nach all diesen Jahren ärgert es mich dann immer, wenn ich nicht den Zuschlag bekomme. Aber so ist es eben. Oliver hat zugesagt, dass er die Sammlung auf dem Laufenden halten wird, auch mit den neuen Büchern, die ja ständig erscheinen. Darauf haben wir uns geeinigt, weil es ja unbedingt die größte und vollständigste Sammlung der Welt bleiben soll.
RV: Was haben Sie noch gesammelt? Es gibt viele Nautiquitäten in Ihrem Haus.
VC: Ich sammelte eigentlich alles, was irgendwie mit dem Segeln zu tun hat. Ich sammelte sogar mal Briefmarken mit Yachtmotiven. Ich habe auch zu Oliver gesagt, dass Bücher allein nicht ausreichen. Man muss auch andere Dinge sammeln, so wie ich es getan habe. Dieses Haus ist voll mit maritimen Gemälden, Nautiquitäten und so weiter. Es gibt eine Sammlung Kompasse und über 40 Sextanten und Oktanten. Ich habe auch eine große Sammlung alter Winschen. Sie zu sammeln macht Spaß, und sie sind nützlich, als Türstopper. Und es gibt etliche wunderbare Schiffsmodelle überall im Haus. Wenn man so etwas Schönes sieht, dann kann man doch nicht einfach weitergehen, also kaufe ich es! Ich habe etwa 300 Blaupausen von Yachtdesigns. Hier ist ein kompletter Satz, den ich noch katalogisieren muss. Auch seltene Schwarz-Weiß-Fotografien. Ich hatte einmal 180 Glasnegative von Beken of Cowes, die ich an einen Sammler verkauft habe. In jedem Zimmer meines Hauses gibt es eine Sammlung von etwas Besonderem. Antike Trophäen von Regatten aus der ganzen Welt. Morgen wird ein riesiges Gemälde angeliefert werden, welches drei klassische Yachten im Rennen zeigt. Also muss ich irgendwo etwas loswerden, um Platz an einer Wand zu schaffen!
RV: Und jetzt haben Sie eine neue Obsession? Yacht-Club-Knöpfe!
VC: Nun, diese neue Sucht fing ganz durch Zufall an. Ich kaufte einst ein Buch mit dem Titel ›Yacht and rowing club buttons of the British Isles‹. Als es geliefert wurde, sah ich es an und dachte: Das ist ja ganz lustig. Ich hatte bereits einige Knöpfe, beispielsweise vom NRV und KYC. Alles in allem etwa 50, aber nur als Teil meiner Sammlung an nautischen Artefakten und Antiquitäten. Wenn ich etwas kaufe, versuche ich immer, die Person, die es vor mir hatte, zu kontaktieren. Als ich also den Sammler der Knöpfe am Telefon hatte, erwähnte er, dass er viele doppelt habe, und da bot ich spontan an, die alle zu kaufen. Jetzt habe ich Hunderte! Es begann eigentlich als Witz, aber dann wollte ich eben alle haben. Das ist also meine unheilbare Passion. Ich habe jetzt mehr als 300 Knöpfe aus allen Teilen der Welt. Die Variationen im Stil und Design sind wirklich interessant, ebenso die Größenunterschiede. Es gibt kleine für Ärmel und größere für Hemden und Jacketts. Ich glaube, dass ich wieder einmal die größte Sammlung von etwas Seltenem habe, aber diesmal passt alles in nur einen Schrank!
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Dieser Artikel erschien in der GOOSE No. 22