Diese Modelle wurden von den Meterklasse-Yachten inspiriert. Oder auch andersherum.
Die Boote der internationalen ≫A-Klasse≪ gelten als die Klassiker unter den Modellsegelbooten. Fast wirken sie wie kleine Meter-Yachten, in Form und Proportionen weisen sie verblüffende Ähnlichkeiten auf. Allerdings ist das kein Zufall. Nicht nur nahmen sich die Modellsegler beim Entwurf und Bau ihrer Boote oftmals die Risse der ausgewachsenen Meter- Yachten als Anregung und Vorbild. Die A-Klasse ist, genau wie die Meter- Yachten, eine Konstruktionsklasse, und die Formel, nach der die Boote vermessen werden, ist der berühmten Meterklasse-Formel nicht unähnlich. Entwickelt wurde diese ≫Mini-Meter-Formel≪ in den Jahren 1922 und 23 von dem damaligen Chefredakteur der englischen Segelzeitschrift ≫Yachting Monthly≪, Major Malden Heckstall-Smith. Seine Idee dabei war ebenso naheliegend wie genial, vor allem in Zeiten, bevor Rennyachten noch ohne die heute oft üblichen Schlepptankversuche an Modellen entwickelt wurden: Er wollte den Konstrukteuren eine Möglichkeit geben, unter Umständen teure Fehler beim Bau ausgewachsener Rennyachten zu vermeiden, indem man neue Ideen eben zuerst an einem maßstäblich verkleinerten Modell, aber doch in einer aktiven Regattaklasse testen konnte. Die Klasse der Modellyachten wurde zwar ein großer Erfolg, doch die erhoffte Verbindung, als Testboote für bemannte Rennyachten, fand nie statt.
Heckstall-Smiths Formel basierte auf den ≫18-Footern≪ der Zeitschrift, auch bekannt als ≫Yachting Monthly Six Metre≪, verkleinert im Maßstab von zwei Inch zu einem Fuß. Eine sehr ähnliche Formel wird heute noch von der internationalen 5.5mR-Klasse genutzt, freilich in einer anderen Dimension. Die Verwandtschaft zu den Meter-Yachten jedenfalls ist offenbar und aus diesen Wurzeln zu erklären. Als sich die neue Modellbootklasse später international verbreitete, etablierte sich der Name ≫A-Klasse≪. Umso erstaunlicher, dass sich die professionellen Yachtkonstrukteure von der A-Klasse weitgehend fernhielten, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Ein berühmter 12er-Segler hingegen wurde in seinen späten Jahren Präsident der britischen Vereinigung der Modellsegler. Sir William P. Burton, Segelfreund des legendären Teebarons und America’s-Cup-Verlierers Thomas Lipton, hatte sich im Laufe eines langen und aktiven Seglerlebens etliche 12er bauen lassen. Sein letzter, vielleicht schönster, in jedem Fall größter und schnellster 12er war die von Alfred Mylne entworfene Jenetta, die ihm Jahre 1939 von Stapel lief.
Die A-Klasse jedenfalls entwickelte sich prächtig. Anfangs noch deutlich dominiert von den Engländern, wurden die Rennen zunehmend internationaler, mit starker Konkurrenz vor allem aus Skandinavien und Amerika. Auch deutsche Segler versuchten sich hier, blieben aber meist unter ≫ferner liefen≪ – erst 1972 gelang es den Gebrüdern Pollahn aus Hamburg, damals einer Hochburg des deutschen Modellsegelns, mit dem Boot Peter Pim als erste deutsche Segler den begehrten ≫Yachting Monthly Cup≪ im Rahmen der Europameisterschaft zu gewinnen. Dieser Pokal war gleich zu Beginn von Heckstall-Smith und seiner Zeitschrift gestiftet worden, um die Regattaaktivitäten zu beleben. Erster nichtbritischer Gewinner des Pokals wurde der Norweger Sam O. Berge, der wie sein Landsmann Johan Anker bei Herreshoff in Amerika gelernt hatte. 1935 gewann er die ≫Yachting Monthly≪-Trophäe im englischen Fleetwood mit einem besonders eleganten Boot, einem Langkieler – die waren bei den Modellseglern schon damals eigentlich passe –, der tatsachlich wie ein maßstabsgetreu verkleinerter 12er aussah. Gesteuert wurde dieses Boot, die Prince Charming, von einer von ihm selbst entwickelten Windsteueranlage, die auf diesen Booten üblich war, bevor ab Mitte der 1970er-Jahre die neu aufkommende Fernsteuerung alles änderte.
Bis dahin segelten die Modellboote mit ihren Windfahnen einfach gerade Kurse über die Modellsegelteiche gegen den oder die jeweiligen Gegner. Die Windfahnensteuerung diente lediglich dazu, den optimalen Kurs zum Wind zu halten. Gewendet wurde, wenn überhaupt, sofern die Boote dicht genug ans Ufer kamen, wo sie von ihren Seglern mit langen Stangen durch den Wind gedruckt wurden. War das Ufer nicht begehbar, startete und segelte man mit den Modellen auf dem See, von Ruderbooten aus. Das änderte sich, als die moderne Elektronik in Form günstiger Fernsteuerungen auch beim Modellsegeln ankam. Nun kam es nicht mehr nur auf die größtmögliche Geschwindigkeit auf einem geraden Kurs an, plötzlich waren auch Eigenschaften wie Wendigkeit gefragt, da die Boote jetzt ja ≫richtige≪ Regattakurse absegeln konnten. Einige Jahre lang hatte dies auch Auswirkungen auf die Boote selbst, doch Insider der Modellszene meinen, dass sich die Entwurfe der Boote seit einiger Zeit wieder annähern. Denn neben den heute wohl eher üblichen ≫RC≪ (Radio Controlled) Klassen wird nach wie vor ≫frei≪ gesegelt, also ohne Fernsteuerung und stattdessen wie schon immer mit Windfahne. Allerdings, es scheint für die ≫Freisegler≪ schwieriger und schwieriger zu werden, überhaupt geeignete Gewässer für ihre Rennen zu finden – müssen dort doch alle Ufer frei begehbar sein. Aber ganz gleich, ob mit Fernsteuerung oder frei segelnd: Die Boote der A-Klasse sind die größten und wohl immer noch auch elegantesten der Modellbootklassen, auch wenn moderne A-Klasse-Boote durchaus aus Kohlefaser gebaut werden. Mit ihrer Lange von 1,6 bis knapp zwei Metern, entsprechend hohen Masten, einem Gewicht von 12 bis 18 Kilo und 30 Zentimeter Tiefgang bieten A-Klasse-Boote immer ein imposantes Bild. Vor allem im Rennen!
//
Text: Detlef Jens. Dieser Artikel erschien in der GOOSE No. 26