Erst war da der Krieg, der dänisch-britische Anfang des 19. Jahrhunderts, in dessen Verlauf natürlich auch Kriegsgefangene gemacht wurden. Knud Høj war einer von ihnen. In England erlernte er die Fertigkeit, Löffel aus Horn herzustellen, und nahm dieses Wissen anschließend mit in seine Heimat an der Westküste Mitteljütlands. Wenn es einer kann, können es alle – es sprach sich herum, und die Verarbeitung des Horns zu Löffeln, dem einzigen Besteck der armen Bauern, zog ihren Kreis. Das Wissen wurde weitergegeben, von Nachbar zu Nachbar, vom Vater zum Sohn. Ein Nebenerwerb für die langen Wintermonate. Die Region wurde zum Zentrum in Sachen Hornbearbeitung. Eine Manufaktur war damals noch nicht in Sicht. Schließlich war die Landwirtschaft die Haupteinnahmequelle der Region, wenn auch eine eher magere. Aber was tun, wenn man nach einem Unfall nicht mehr auf die Felder kann? Für Peter Hustved aus Bøvlingbjerg gab es nur einen Weg: zurück zum Horn. Das war 1931. Im Hønsehus, im Hühnerstall, startete er sein neues Business. Nach vier Jahren wagte er es, eine eigene Manufaktur zu gründen – die Hornvarefabrikken, die nun nach fast 100 Jahren ihre von Hand gefertigten Löffel, Gabeln, Serviettenringe, Apfelsinenmesser und Heringsspieße bis in die USA und nach Japan liefert. Doch die Erfolgskurve ging nicht immer nach oben. Modernere Produkte waren gefragt, aus Kunststoff oder Edelstahl. »Einen Hornlöffel musst du ja pflegen, der macht Arbeit«, ordnet Peder den Werdegang ein und betont dabei, dass die handgemachten Produkte gerade in Deutschland sehr beliebt seien: »Deutschland ist inzwischen der Hauptabsatzmarkt.« Dort liebe man echte Handarbeit aus Naturmaterialen. Den Export hat die Manufaktur der zweiten Generation zu verdanken: Asger und Eva Husted, die neue Geschäftsideen und Vertriebswege entwickelten. Dazu kam Evas wachsame Sparsamkeit, ohne die es heute keine Hornlöffel aus Bøvlingbjerg mehr gäbe. NOCH EIN UNFALL FÜRS FORTBESTEHEN Nachfolger mussten gesucht werden. Agner Andersen, Zimmerer von Beruf, brach sich beim Fußballspielen das Bein, Leitern hochzusteigen war ihm nicht mehr möglich, und vom Handwerk hatte er Ahnung, genauso wie vom Geschäft. Der Handel wurde perfekt. 1990 übernahm Agner gemeinsam mit seiner Frau Inga den Betrieb. Die Zeit der Modernisierung und des Ausbaus begann. Doch irgendwann war es auch hier wieder so weit. Ein Generationenwechsel sollte erfolgen, aber wie? Bøvlingbjerg gilt nicht unbedingt als Nabel der Welt. Wer will sich dort um ein altes Handwerk kümmern? ES GEHT WEITER Sara Brunn Buch hatte schon lange ihren Heimatort verlassen, aber warum nicht zurückkehren? Als Designerin und Kunsthandwerkerin konnte sie sich hier verwirklichen. Ein Wechsel kam der Familie gerade recht. Nach ein paar Probearbeiten bekam sie den Zuschlag. Inzwischen führt Sara gemeinsam mit ihrem Mann Peder die Geschäfte und hat neben dem Alten auch ihre eigene Linie eingeflochten: Schmuck von schlicht bis Hingucker, vom einfachen Herrenarmband bis hin zur mehrreihige Kette. Die Produkte sind heiß begehrt. Inzwischen bietet die Hornvarefabrikken ihre Waren aus Kuhhorn auch in sechs eigenen Geschäften an. Das Horn allerdings stammt nicht aus Dänemark. Dänische Kühe grasen hornlos auf den Weiden. Es kommt aus Schweden und aus Nigeria, denn dort tragen die Kühe besonders imposanten Kopfschmuck, aus dem sich selbst das große Salatbesteck formen lässt. Das Horn vor Ort ist ein Abfallprodukt. Würde es nicht in den Norden Dänemarks verschifft werden, bliebe nur, es zu verbrennen. So wird das Horn vor Ort ausgehöhlt, gereinigt und veterinärmedizinisch untersucht, bevor es seine Reise an die jütländische Nordseeküste antritt. WWW.HORNVAREFABRIKKEN.COM ERWERBSQUELLE FÜR DEN WINTER weiterlesen 60
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